Das Ende vom Schlemmereck

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Ein Drama in fünf Akten

Prolog – Herberts Tod und der Verkauf des Schlemmerecks

Mit Herbert Stenders Tod endete im September 2017 eine Ära. Es war nicht das Schlemmereck, sondern Herbert, der die Turbojugend entscheidend geprägt hat. Für die meisten war er viel mehr als ein Kneipenwirt: ein wahrer Freund, eine Anker und das Schlemmereck dadurch ein Heimathafen.

Nach dem Tod führte seine Witwe Silka Stender die Kneipe noch einige Zeit weiter. Es war aber von vornherein klar, dass dies kein Dauerzustand bleiben könnte. Herbert hatte schon zu Lebzeiten den Wunsch geäußert, dass ein bestimmtes Mitglied der Turbojugend St. Pauli sein Schlemmereck-Erbe nach seinen Werten und Vorstellungen weiterleben lassen solle. Silka und besagter Stammgast führten deswegen Verkaufsgespräche. Wichtig zu bemerken ist hierbei, dass das Schlemmereck immer nur gepachtet war. Beim Verkauf ging es um die Konzession und die Einrichtung.

Zum Verkauf gab es auch eine Einigung – es bedurfte nur noch der Zustimmung des Eigentümers. Diesem wurde ein gutes, ausgereiftes und tragbares Konzept vorgelegt. In dieser Zeit äußerte auch Süphü Demirocak, der Inhaber des “Berg Grill Imbiss” direkt nebenan, Interesse am Schlemmereck. Der Eigentümer hatte vorher immer betont, was für ein gutes und freundschaftliche Verhältnis er zu Herbert hatte. Deswegen war es auch in seinem Sinne, die Kneipe optisch und konzeptionell unverändert zu lassen.

Trotz Silkas Einverständnis und dem vernünftigen Konzept wurde die Zusage bei besagtem Stammgast immer wieder vom Eigentümer verzögert. Und schließlich bekam Süphü Demirocak den Zuschlag. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Es bleibt aber zu bemerken, dass er bereits langjähriger Pächter beim Eigentümer war.

Da es keine Zustimmung für das andere Konzept gab, verkaufte Silka schließlich das Schlemmereck an Süphü Demirocak. Er ist seit Jahren als Unternehmer auf St. Pauli tätig, wird aber von vielen kritisch gesehen.

Obwohl er die Auflage hatte, das Schlemmereck unverändert zu lassen, wiedereröffnete er es als „Billig-Kneipe” (Stichwort “Ficken – 1 Euro”). Die Stammgäste suchten das Weite, die neue Geschäftsidee wurde verprellt und nicht der erwartete Umsatz generiert.

Ein Kontakt zur Turbojugend wurde nicht gesucht.

Episode 1 – Betrieb des Schlemmerecks

Ein langjähriger Freund Herberts, der im Haus lebt und Süphü Demirocak und den Hausbesitzer kennt, wollte den Untergang der Kneipe nicht hinnehmen. Er wurde zum vorübergehenden Betreiber und holte sich dafür die Unterstützung von Freunden. Dieses Team setzte die Personalplanung, die Wiederherrichtung der Kneipe, die Gestaltung einer Speisekarte, Social-Media-Aktivitäten und auch den eigentlichen Betrieb der Kneipe um. Das alte Konzept – Herberts Erbe – lief wieder erfolgreich und am Ende auch kostendeckend. Dafür danken wir dem langjährigen Freund Herberts und seinem 17-köpfigen Team herzlich.

Episode 2 – Die Freunde des Schlemmerecks

Im Februar wurde das Team vom Schlemmereck (nachdem es selbst nachgefragt hatte) von Süphü Demirocak darüber informiert, dass die Kneipe zum 28. Februar schließe und umgebaut werde. Er wolle ein neues Konzept umsetzen – mit dem Schlemmereck sei kein Gewinn erwirtschaftet worden. Diese Aussage ist nachweislich nicht wahr: Gewinne wurden erwirtschaftet – auch außerhalb der Weltturbojugendtage.

Aufgrund der Aussage, das Schlemmereck solle umgebaut werden, wurde umgehend beschlossen, dies zu verhindern. Die „Freunde des Schlemmerecks“ – vertreten durch die Turbojugend St. Pauli, dem zwischenzeitlichen Betreiber, Günter Zint vom St. Pauli Museum und Investoren aus den Reihen der alten Stammgäste – setzten sich daher zusammen, um eine Übernahme zu besprechen. Der erste Erfolg dieser Gruppe: Die geplanten Umbaumaßnahmen wurden vom Eigentümer nicht gestattet.

Bei einem persönlichen Gespräch zwischen Süphü Demirocak und dem Präsidenten der Turbojugend St. Pauli wurde ein Kaufangebot unterbreitet. In diesem Gespräch zeigte sich der aktuelle Pächter aber auch sehr verärgert über die Presseartikel über ihn und die von ihm geplanten Umbaumaßnahmen. Die öffentliche Berichterstattung erschwerte die Verhandlungen immens. Trotzdem wurde ein Gespräch mit Eigentümer, Pächter und den Freunden des Schlemmerecks anvisiert, um ein tragbare Lösung für alle zu finden. Es sollte nochmals klargestellt werden, warum der Erhalt des Schlemmerecks in seiner ursprünglichen Form so wichtig war. Süphü Demirocak war auch bewusst, dass die weltweite Turbojugend im Schlemmereck gegründet wurde.

Direkt nach dem Treffen wurde von den Freunden des Schlemmerecks ein entsprechendes Konzept erarbeitet und mit der Hausverwaltung Kontakt aufgenommen. Traurigerweise fand ein persönliches Treffen mit ihr nicht statt. Das Konzept wurde aber dennoch dort direkt vorgelegt.

Die Hausverwaltung versprach, das Konzept dem Eigentümer umgehend zukommen zu lassen – die Entscheidung über das Schicksal der Lokalität am Hamburger Berg 27 lag und liegt schließlich in seinen Händen. Bei einem Erhalt des Schlemmerecks wären die Chancen der Übernahme gestiegen. Nach der Übermittlung des Konzepts gab es weitere Telefonate mit der Hausverwaltung. Leider wurde auch hierbei signalisiert, dass die erschienenen Presseberichte die Verhandlungsposition erschweren würden. Es sei betont, dass die Kontaktaufnahmen mit der Presse nicht von den Freunden des Schlemmerecks ausgingen und auch nicht mit ihnen abgesprochen wurden.

Episode 3 – Die Zerstörung des Schlemmereck

Trotz  des eingereichten Konzepts, der stehenden Finanzierung und den Worten des Eigentümers, dass das Schlemmereck nicht verändert werden solle, wurden alle am 14. März durch die Nachricht geschockt, dass die Geburtsstätte der weltweiten Turbojugend zerstört wird. Keiner wurde diesbezüglich von Süphü Demirocak oder der Hausverwaltung informiert. Die Fotos der Zerstörung verbreiteten sich über die sozialen Medien.

Ein sofortiges Telefonat mit der Hausverwaltung ergab, dass sie selbst von dem in diesem Moment stattfindenden Umbau nichts wusste. Wenn, dann war es nur mit dem Eigentümer abgestimmt.

Am Tag danach wurde auf mehrfache Nachfrage schließlich bekannt gegeben, dass es am 13. März ein Treffen zwischen dem Eigentümer und Süphü Demirocak – ohne die Freunde des Schlemmerecks – gegeben hatte. Die Nachfrage, warum das Konzept der Freunde des Schlemmerecks nicht berücksichtigt wurde, wurde bis heute nicht von der Hausverwaltung oder dem Eigentümer beantwortet.

Das Schlemmereck wurde für immer zerstört. Der Erhalt eines Stücks “Alten St. Paulis”, Herbert Stenders Erbe und die Geburtsstätte die Turbojugend wurde für die vermeintliche Gewinnmaximierung geopfert.

Wir haben alles in unser Macht stehende für die Rettung des Schlemmerecks getan. Wir haben für den Erhalt und euch alle gekämpft – aber leider verloren. Leider gab es Dinge, die wir nicht beeinflussen konnten oder die Rettung erschwert haben.

R.I.P., Schlemmereck!

Exodus – auch nach dem Schlemmereck muss es weitergehen

Das Schlemmereck ist gestorben. Die Turbojugend St. Pauli wird mit anderen Turbojugenden in Hamburg nach einer neuen Anlaufstelle für die weltweite Turbojugend suchen.

Auch wenn das Schlemmereck vielleicht seinen Namen behalten wird, wird es nie wieder unser neues Clubheim werden. Es geht dem Pächter um Gewinnmaximierung und nicht um den Erhalt. Unseren Support wird die neue Lokalität nicht erhalten. Wir hoffen sehr, dass sich alle anderen Turbojugendlichen unserer Position anschließen.

Als Anlaufstelle für die Weltturbojugendtage können wir jetzt schon das Molotow mit einem schönen Innenhof und Grillmöglichkeiten und die unzähligen Bars auf St. Pauli anbieten. Lasst uns in dieser traurigen Zeit zusammenhalten und trotzdem – oder gerade deswegen – die WTJT 2019 auf St. Pauli feiern.

Love and Respect, Turbojugend St. Pauli